Vom Alpenhüttenfeeling zum Bilderbuchvulkan

Ecuador Part II – in Luna´s Stirnlampenlicht im Eiltempo auf den Gipfel des Cotopaxi, 5.897m

Unsere eintägige Zwangspause in Riobamba, die dadurch entstanden ist, dass unsere auserwählte Agentur keinen Fahrer in den etwas entfernteren Cotopaxi-Nationalpark zeitnah chartern konnte (was uns ziemlich unflexibel erschien angesichts der 2004 gemachten Transporterfahrungen), nutzten wir mit einer empfohlenen Akklimatisierungstour rund um das indigene Bergdorf Pulingui San Pablo auf 3.840m. Das Wetter ärgerte uns mit dichten Wolken und Nebel, Kälte und Schneeregen, so dass wir eher lustlos durch die Páramo-Pampa angesichts der schlechten Sichtverhältnisse umherirrten und unser Ziel, ein Steintempel schnell beiseite schoben. Auf 4.400m machten wir kehrt. Und wie so oft hat alles Schlechte auch was Gutes – nicht nur, dass sich mein Makroobjektiv über eine Flora freute, die man so auf diesem von Grasgestrüpp bewachsenen Boden nie vermuten würde – auch die Idee, in der von der Straße aus zu sehenden Mountain Lodge einzukehren, war grandios. Irgendwo um die Ecke vermuteten wir nun Heidi, wir waren schließlich in den Alpen gelandet! Zumindest begrüßte uns sitzend ein deutscher Schäferhund vor der mit dem Alpenvereinsemblem geschmückten Hüttentür :) Und nicht zuletzt schellten beim Öffnen Dieser die Kuhglocken, die vermutlich einmal dem Milkatier in den Alpen um den Hals baumelten. Zu guter Letzt empfing uns noch Heidis Großvater, der uns bat, die Schuhe bitte im Vorraum auszuziehen, die Hüttenlatschen waren griffbereit :) Einzig die dick bepelzten Alpakas auf der Weide mochten nicht so recht ins Bild passen… Marco Cruz, der Hüttenwirt, ist ein bekannter ecuadorianischer Bergsteiger, der u.a. auch in den Alpen als Bergführer unterwegs war und so mit vielen Relikten aus unserer Heimat seiner Lodge ein herrlich rustikales Ambiente bescheren kann. Sogleich fühlten wir uns pudelwohl und wärmten uns bei einer Tasse Tee am knisternden Kamin auf… Es gibt so viele Gründe wie es Augenblicke gibt… Die Rückfahrt nach Riobamba gestaltete sich endlich wieder südamerikanisch – an die Straße gestellt, einen relativ klapprigen Bus angehalten, eingestiegen, fertig :)

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Am nächsten Tag dann lernen wir in der Agentur unseren Guide Patricio kennen, der zugleich Fahrer und Koch ist. Das Wahnsinnige und auch ohne Akklimatisierung das Gefährliche am ecuadorianischen Bergsteigen ist die Nähe der Zugangswege. Man setzt sich in der Stadt in einen Jeep und ist 1-3 Stunden später irgendwo zwischen 4000 und 5000m an einer Hütte, von welcher dann Mitternacht der Finalanstieg beginnt… Von Riobamba fahren wir auf der sogenannten Straße der Vulkane in Richtung Quito und werden nach dem gestrigen Wetterdesaster reich beschenkt – im Rückspiegel der überdimensionierte Vulkanriese Chimborazo, zu unserer Linken die 2 Illiniza -Türme und zu unserer Rechten ein Bilderbuchvulkan, wie ihn jedes Kleinkind malen würde – unser Ziel für die kommende Nacht, das Vulkanmodel Cotopaxi! WOW! Je näher er rückt, desto mehr verliert er seine Grazilität und mutiert zu einem Berggiganten, zu welchem wir ehrfürchtig aufblicken! Unvorstellbar, innerhalb der nächsten 20 Stunden oben drauf zu stehen…

Auf 4.500m ist Endstation für den Jeep. Bis zur Refugio Jose Ribas auf 4.810m müssen wir nun mit mannes- und frauenkraft selbst das Gepäck hoch tragen. Uff, für kurz bleibt uns die Luft weg, bis wir unseren Rhythmus gefunden und uns eingelaufen haben. Die zunächst nicht enden wollenden Serpentinen führten uns schließlich gemächlich und sicher zu unserer Nächtigungsstätte, einer wegen ihrer Größe eher ungemütlichen Hütte. Zu unserem Glück konnten wir jedoch die weiteren Gipfelaspiranten an den Händen abzählen, nicht auszumalen das Chaos in der Hochsaison hier. Patricio beköstigte uns großzügig und die Höhe ließ auch alle Mahlzeiten zu, was uns überaus erfreute, sprach es doch für einen guten Akklimatisierungszustand unseres Körpers :) Und weil wir ganz sicher gehen wollten, unternahmen wir noch einen kleinen Spaziergang bis zum Übungsgletscher auf knapp 5000m. Und weil das der Wettergott gutheißte, setzte er uns dabei in ein fabelhaftes Lichtspielhaus aus Gletschereis, Mondgestein und ein Wolkensonnenbett und ließ zu unserem Erstaunen auf dieser Höhe den Andenfuchs durchs Bild laufen. Grandiose Welten, die für diesen Moment alles vergessen lassen!

Die Aufregung steigt, je näher der Zeiger Richtung Zubettgehzeit rückt, denn nur wenig später beginnt der Aufstieg. Punkt Mitternacht erlöst uns der Wecker vom Dämmerschlaf – Frühstück!! Tatsächlich tun wir das auch :) Jubel! Uns geht es gut! Verheißungsvoll machen wir uns startklar, um 1.00 Uhr betreten wir die durch Luna´s Stirnlampenlicht erhellte Bergwelt und laufen in unserem Mondschatten den zugleich beginnenden Anstieg im Serpentinengeröll. Eine Stunde und 300 Hm später erreichen wir den Gletscher, legen das letzte Equipment an und steigen stetig weiter. Trinkpausen mit heißem Tee unterbrechen mein mittlerweile höhenbedingtes leichtes Unwohlsein und ein Schwapps Powerbar bewirkt Wunder, fast beflügelt gewinnen wir mal sehr steil, mal weniger steil mehr und mehr Höhenmeter durch ein Schnee- und Eislabyrinth, dessen Faszination sich im Mondscheinlicht durch kurzes Aufblinken und Klitzern lediglich erahnen lassen. So bleibt die Freude auf den sonst nervigen Abstieg überaus groß, wenn sich die spannende Wegführung an fett aufklaffenden Spalten entlangwindet und sie auf schmalen Spuren einen tiefblickenden Abgrund vermuten lässt. Mit Musik im Ohr lassen wir uns nahe zum Himmel treiben, doch allmählich erhebt sich unser Blick sehnsüchtigst dem Punkt entgegen, an welchem es nicht mehr höher geht. Pünktlich zum Sonnenaufgang schließlich ist es soweit – unsere Mühen werden mit einer Fernsicht über die Gipfelkuppe hinweg belohnt, wir haben es geschafft und stehen 4 ½ Stunden später nach einer Speedbegehung am weit aufgerissenen Vulkankrater des Cotopaxi, wir stehen auf 5.897m! Yaaallllaaaaahhhhhhhh!!!! Nicht wissend, wohin wir zuerst blicken sollen, offenbart sich bei optimalstem Wetter ein Rundumblick vom Feinsten auf wahrscheinlich alle Vulkanriesen, die Ecuador zu bieten hat! Wäre es nicht so windig und dadurch bedingt eisig, wir hätten vermutlich Stunden auf dieser surrealen Welt bleiben können. Mit den Fingern ohne Gefühl und fetten Fausthandschuhen ließ sich dieser Anblick fototechnisch leider schlecht festhalten – aber es ist für immer in unseren Köpfen und Herzen verankert!

Der Abstieg hielt, was unsere Phantasie versprochen hat! Bei bestem Sonnenschein ein Abstiegsgenuss sondergleichen, wann kann man so was schon einmal behaupten! In der Ferne andere Vulkankegel im Morgenlicht, unter uns eine rotbraun schimmernde Vulkanlandschaft und wir inmitten einer Eisskulpturenwüste entlang imposanter Spalten, aufgefalteter Eisformationen, Monstereiszapfen und Eiskristallen und in uns drin – Herzsprung! Gekrönt wurde das Ganze noch mit einer von uns geliebten Geröllabfahrt – easy going :)

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3 Stunden nach unserem Gipfelerfolg sitzen wir bereits wieder im Jeep und befinden uns auf dem Rückweg nach Riobamba. Verrückte Welt!! Können wir nur hoffen, dass das unser Kopf mal alles gebacken kriegt, diese intensiven Speederfahrungen ordentlich zu verarbeiten…

Patricio war mit unserer Kondition und unserer Art zu Bergsteigen so zufrieden, dass er uns den Chimborazo zutraut und sich vorstellen kann, uns auch auf diesen Gipfel zu führen. Ergo verabredeten wir uns für die Besteigung des höchsten Punkts von Ecuador 2 Tage später :)

In der Zwischenzeit hieß es, weiter viel trinken, relaxen, entspannen, einfach nix tun… und sich über ein atemberaubendes Erlebnis freuen! :)

Und damit ihr das Ganze mitfühlen könnt, wie das so ist, hintereinander derartig intensive Erlebnisse zu haben, folgt alsbald schon der nächste Newsletter… hihi…

Hoffentlich klappt das, Euch ein Stück an der Faszination Bergwelt teilhaben zu lassen…

Wir wünschen Euch einen golden schönen Abschlussherbst, genießt das Wochenende und lasst alsbald was von Euch hören, wir freuen uns. Lieben Dank an alle, die uns die Daumen gedrückt haben und uns wissen lassen, dass sie an uns denken:)

Muchos saludos de tierra de fascinación

Claudy y Christian

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