Fachsimpelei über Boliviens Kuriositäten in Omas Garten

Bolivien Part IV – Urlaub in Coroicos üppiger Pflanzen- und Tierwelt

Was gibt es Schöneres, als sich in Omas Garten mal so richtig auszuspannen und verwöhnen zu lassen? Man nehme hierfür eine große Portion Wärme, kilometerlange Sonnenstrahlen, eine kleine Laube, zwei Liegestühle, einen Teller voll Zupfkuchen und Linsertorte und zu guter Letzt spannenden Lesestoff. Das Ganze paradiesisch ausgeschmückt mit einer üppigen Pflanzenwelt und neugierig daherblickenden Tierchen und jedes Mal aufs Neue vor einer uns amüsierenden Vogelgeräuschkulisse. Hm, o.k., Oma fehlt und die vielen Puri Puris und unser Autanbad lassen wir mal unter die Swimmingpoolkante verschwinden : )

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Genug Zeit, sich in der allabendlichen Gesprächsrunde über das Leben Boliviens auszutauschen…

Bolivien ist unser heimliches Lieblingsland in Südamerika. Natürlich kann man das nicht überall herumposaunen und somit ist immer das Land, in welchem wir uns befinden, das Schönste, wenn wir danach gefragt werden. Diese kleine Notlüge hilft immer, den Einheimischen ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern. Während ihr Euch mit Performancekünstlern und Pyrotechnikern – welche einen islamischen Hintergrund aufweisen – rumärgern müsst, ist es hier in Bolivien auch nicht leicht und wir haben uns mit den Besonderheiten des Landes auseinander zu setzen. Diese reichen vom Präsident – Evo Morales – bis hin zu Busfahrern und Kokaanbau.
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Nachfolgend nun eine kleine Aufzählung  aus dem Kuriositäten- Kabinett Boliviens

Berufsleben:

Busfahrer und Trucker
Der Verkehr in Bolivien besteht im Wesentlichen aus 4 Arten von Verkehrsteilnehmern 1) Busfahrer 2) Trucker 3) Taxifahrer und 4) sich hindurch windende Fußgänger in der Großstadt. Die verschwindend geringe Anzahl an privaten Autos lassen wir mal unter den Tisch fallen, da diese auch als Taxis arbeiten sobald sie jemanden sehen, der an der Straße winkt. Sowohl der Truckfahrer wie auch der Busfahrer sind um Ihre fahrenden Untersätze sehr besorgt. So werden sie in regelmäßigen Abständen durch die bolivianische Waschstraße (ein Fluss aus welchen Wasser gepumpt werden kann) geschleust, phantasievoll mit den aberwitzigsten Motiven bemalt (die reichen von nackten Frauen über wilde Löwen bis hin zu Osama und Che) und die Scheiben gewienert. Ein besonderes Augenmerk legen die Fahrer dabei auf die Pflege der Hinterreifen. Diese werden so oft wie möglich mit Eigenurin gereinigt. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Fahrertypen ist, dass der Trucker in der alten Kiste gemütlich mit 30 km/h und pechschwarzen Abgaswolken über die Hochebenen tuckelt und im Gegensatz dazu der Busfahrer das Blut von Michael Schumacher in sich trägt. Hier wird immer Vollgas gefahren, Überholmanöver vor der Kurve kein Problem und bergab erreicht er im Leerlauf Maximum Speed. Das Ziel eines jeden Busfahrers ist es, sein Gefährt möglichst vor dem des anderen zu setzen, um als Erster den nächsten Passagier an der Straße aufzulesen – wie heißt es doch so schön “Time is Money”

Fahrzielausrufer
In der größten Stadt von Bolivien, La Paz, wird der Nahverkehr durch Minibusse en masse in der Größe des VW-Busses abgedeckt. Im Unterschied zum VW Bus können sich offiziell bis 9 Leute auf  3 Sitzbänke im Heck verteilen  – natürlich sind es auch mal mehr. Der Platz an der Schiebetür wird aber immer vom Fahrzielausrufer besetzt. Trotz, dass die Fahrziele an der Frontscheibe ersichtlich sind, bedarf es noch einer Person, welche in einer für uns unverständlicher Geschwindigkeit die wichtigsten Haltestationen  während der Fahrt aus dem Fenster ruft. Diese Berufsgruppe scheint bestens geeignet, als Werbeträger für Wick Blau entdeckt zu werden.

Straßenblockist
Demokratie in Bolivien funktioniert etwas anders als in Europa. Zwar geht man auch hier zur Wahl aber das bewährte Mittel, seine Forderungen und Wünsche durchzusetzen, sind Straßenblockaden. Soll mein Dorf mit Strom versorgt werden – blockiere ich einfach die Hauptstraße. Ist der Zucker zu teuer – wird die Verbindungsstraße zwischen Ober- und Unterstadt in La Paz abgeriegelt. Dazu bedarf es nur ein paar Leute mit Latten in der Hand, eine geeignete Anzahl an Blechfässern und ein paar Baumstämmen – schon ist die Straßensperre fertig. Wenn dann kein Weiterkommen von A nach B möglich ist, findet das Anliegen bei den Obersten Gehör und es wird Besserung versprochen. Ein paar Männer haben hier Ihre Geschäftsidee für sich entdeckt und organisieren diese Straßensperren. Um die Auflösung der Straßensperre 100% zu gewährleisten, bedarf es noch ein kleine Aufmerksamkeit in Form von Geld, Auto oder Haus für den Organisator der Straßensperre und die Straße ist wieder frei – bis das nächste Problem gelöst werden soll oder die Organisatoren eine Aufmerksamkeit benötigen.

Weiterhin gibt es da die Berufsgruppen, welche auch in Deutschland auf ähnlicher Weise tätig sind oder die ein spezielles Handwerk ausüben. Zuerst genannt sind hier die Schuhputzer, die mit ihren Gesichtsmasken eher aussehen, als wollten sie die nächste Bank überfallen als den vorbeiströmenden Passanten die Schuhe direkt am Straßenrand zu putzen. Dann gibt es da noch den Saftpresser und die Popkorn-Verkäuferin. Diese beiden Berufsgruppen leben in einer für uns nicht nachvollziehbarer Symbiose. Die Gemeinsamkeiten bestehen darin, dass beide einen fahrbaren Verkaufswagen haben, an den gleichen Orten Ihre Waren an bieten und ihre Produkte uns geholfen haben, in La Paz zu überleben. Das kuriose ist dabei, dass man Saft nur früh und Popkorn ausschließlich abends kaufen kann, der Verkaufsplatz aber der gleiche ist. Nun fragten wir uns, ob die Berufsgruppen sich nicht leiden können oder die Kombination aus Saft und Popkorn gefährliche Reaktionen im Magen auslösen oder Popkorn nur im Dunkeln gelingen.

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Eine weitere Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Regierung ist, dass bei Behörden Dokumente wohl nicht handschriftlich aber dafür mit Durchschlag abgegeben werden müssen. Da viele Bolivianer nicht über die geeignete Technik zu Hause verfügen, stehen vor den Behörden die geeigneten Dienstleister  bereit. Bewaffnet mit einer Schreibmaschine warten sie auf Behördengänger, die ein geeignetes Papier benötigen, um dieses anzufertigen.

Bauwesen

Die Hingucker in der bolivianischen Architekturlandschaft sind die altehrwürdigen Kolonialbauten mit ihren ausladenden Balkonen und die prunkvoll ausgestatteten Kirchen. Das gemeine Volk lebt in Flachbauten entweder aus Adobesteinen oder Mauerziegeln. Im Gegensatz zu unseren Breiten werden hier Häuser allen Anschein nach nicht nach Plan gebaut. Es gibt immer ein Haupthaus, an welches je nach Platzbedarf oder Geldmitteln die verschiedensten Anbauten vorgenommen werden. Das Dach bildet dabei oft die Decke des noch zu errichtenden Obergeschosses, während die Treppe schon fertig gestellt ist und ins Nichts ragt. Eine Besonderheit sind die Häuser, die mal aus mehreren Etagen bestehen sollen. Der Rohbau ist soweit fertig, aber einzelne Etagen weisen den unterschiedlichsten Baubestand auf. So kann es sein, dass der dritte Stock voll ausgebaut, ausgeschmückt und bewohnt ist, aber im 2. und 4.  Stock nur die Treppen vorhanden sind. Wo geht da wohl das Fallrohr vom WC hin?

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Straßenbau ist hier noch schwere Handarbeit. Mit Spitzhacke und Schaufel wird der Asphalt aufgehackt, Beton wird auf der Straße aus Zement und Sand angerührt und Holzverschalung von Hand zugesägt. Das dauert natürlich alles etwas länger als es mit Maschinenkraft möglich wäre. Zum Ausgleich hat man sich dafür überlegt, einfach mehr Arbeiter einzusetzen. Das Ergebnis verbessert sich dadurch aber nicht, da immer nur einer arbeitet und 5 ihn dabei eindringlich beobachten und genau hier liegt auch die einzige Gemeinsamkeit mit Deutschland.

Einkaufen

In Bolivien kann man alles kaufen und das zu fasst jeder Zeit. Egal ob man 22 Uhr noch ein paar Kekse benötigt oder getrocknete Lamaföten für den anstehenden Hausbau oder  Kokablätter für seinen Gute – Nacht -Tee…  – alles ist möglich. Die Frage ist nur, wo findet man das alles? Einkaufszentren oder Supermärkte sind so gut wie nicht vorhanden. Dafür gibt es kleine Tante-Emma-Läden, die für die Grundversorgung zuständig sind. Aber wo der Rest erhältlich? Hierfür gibt es Unmengen von Nomadenhändler, die jeden früh ihren Stand vom Neuen am Straßenrand errichten und ihre Waren darbieten. Ah alles klar, einmal Straße rauf und runter und schon hat man seinen Einkaufszettel abgearbeitet. Nee so einfach ist es auch nicht. Die Straßenhändler haben die Straßen nach Themen aufgeteilt. Da gibt es die Tomatenstraße, Bananenstraße, Hosen-, Schuh-, Fleischstraße und so weiter. In den jeweiligen Straßen bekommt man dann nur Dinge einer Warengruppe und muss dann je nach dem was der Einkaufszettel verlangt zur nächsten Themenstraße weiterziehen. Vielleicht sollte man daraus mal eine Art Stadtführung durch La Paz veranstalten. Scheint mir eine gute Geschäftsidee für eine Agentur hier – Stadtführung nach Einkaufszettel.

Politik

Die beherrschende Figur der bolivianischen Republik ist der Präsident -Evo Morales – höchst persönlich. Als erster indigene Präsident auf dem südamerikanischen Kontinent hat er seine Amtszeit mit viel Vorschußlorbeeren in seinem eigenen Land begonnen, während vor allem die USA nicht in Hochstimmung verfielen. Als einfacher Kokabauer – nein die stellen keine Kokain her, sondern pflanzen auf ihren Äckern nur den Kokastrauch an – gestartet, hat er es bis zum Präsident von Bolivien geschafft. Angetreten, um die sozialistische Idee in die Tat umzusetzen, kann er sich vor allem auf seinen Kumpel Hugo Chavez verlassen, wenn das Land in die Schieflage gerät. Die Öl-Dollar aus Venezuela werden hier gern genommen, dafür aber die US-Drogenpolizei und auch mal ein Botschafter aus dem Land geworfen. Privateigentum wurde teilweise enteignet und unter staatlicher Kontrolle gestellt. Das Dumme dabei ist nur, dass diese Betriebe starke Einbusen in ihrer Leistungsbereitschaft hinnehmen mussten. Dem einen oder anderen scheint dieses Phänomen ja noch aus vergangener Zeit bekannt zu sein.

Mr. Morales machte aber auch noch mit verschiedenen Äußerungen weltpolitisch auf sich aufmerksam. So verkündete er auf dem Klimagipfel, das der Verzehr von Hähnchen und Pommes Frites wegen der Hormon- und Genbehandlungen homosexuell macht und zur Glatzenbildung führt. Weiterhin hat er auch noch einen Verbrauchertipp parat: Coca-Cola eigne sich vor allem gegen verstopfte Abflussrohre, weniger jedoch zum Verzehr.

Sport

Der Volksport Nummer eins in Bolivien heißt ja zweifelsfrei Fußball. Dieser Sport ist hier das beherrschende Thema und wird überall im Land praktiziert und per TV konsumiert. Wie wichtig dieser Sport für das gemeine Volk ist, zeigt der Umstand, dass man für die Gründung eines Dorfes die folgenden Gegenstände besitzen muss:
1) 4 Latten welche 2,44 Meter lang sind
2) 2 Latten welche min 7.32 lang sind
3) Ein Grundstück von min 90 x 45 Meter

Wer sich ein bissel auskennt, hat sofort registriert, dass diese Gegenstände notwendig sind, um einen Fußballplatz mit 2 Toren zu errichten. Der Bolzplatz wird immer zuerst geschaffen und dann erst die Wohnhäuser. Wir haben hier die verschiedensten Formen von Plätzen gesehen, welche sich für ein Fußballspielchen eignen. Da gab es Plätze mit einem Haus darauf, Plätze, bei welchen die Mittellinie gleichzeitige die Durchfahrtsstraße war und Plätze mit fest installierten Siegerpodest und Fahnenhaltern in Orten die nur zwei Häuser umfassten.
Das kurioseste Fußballspiel fand aber wohl auf dem Gipfel des Vulkans Sajama statt. Ja, genau der Berg, auf den ich nicht raufgekommen bin und mit über 6500 Meter der höchste Berg von Bolivien ist. Hier hatten sich ein paar Bergführer mit 10 Bällen und 2 Plastik Toren versammelt, um eine Rekord im Höhen-Fußball aufzustellen.
Auch der Präsident ist ein großer Verfechter der Sportart und nimmt von Zeit zu Zeit immer wieder an einem Spielchen teil und ist dabei nicht gerade zimperlich. So hat er sich schon die Nase gebrochen oder seinen Gegner mal einen ordentlichen Tritt in die Eier verpasst.
Der Bolivianer kennt aber durchaus auch den internationalen Fußball und so werden uns die Namen von Beckenbauer, Rummenigge und Klinsmann zugerufen, sobald wir zu erkennen geben, dass wir aus Deutschland kommen.

Und nun Schluss mit unseren Geschichten aus Bolivien, obwohl man sicher ein Buch darüber verfassen könnte… ABER, wir sind mittlerweile in Chile gelandet, ergo beginnt die Sammlung von Kuriositäten zu einem anderen Land von Vorn…
Die unendlichen Weiten und Faszinationen der disiertos blancos y lagunas colores im südlichen Bolivien haben wir leider schon hinter uns und sitzen nun inmitten der Atacama Wüste im kleinen staubigen Ort San Pedro de Atacama mit anderen unzähligen Touristen… ein weiterer Newsletter erwartet Euch die Tage, womöglich sind wir dann bereits in Argentinien…
Das Schnee- und Winterchaos in Deutschland ist für uns so unvorstellbar weit weg, wenn über uns die Wüstensonne unsere Haare versenkt. Von Weihnachtsgefühlen keine Spur…

Wir wünschen Euch, gut durch das Schneegestöber zu kommen und eine stressfreie Adventszeit zu genießen!!

Hasta Luego,
Christian y Claudy

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