Underdressed in der Studentenszene, overdressed in the mountains

Venezuela Part IV – Andines Treiben in Mérida

Ein knalliges Gewitterfeuerwerk verabschiedete uns in Ciudad Bolívar, die Abkühlung kam jedoch erst wieder mit dem Bus, dieses Mal zum Glück nicht allzu heftig. Ein korpulenter Mann der Buskompanie zockte uns ab, er verlangte knappe 4 € für unser Übergepäck… ich weiß nicht, ob er für seins auch extra zahlen muss…

Der Übernachtbus brachte uns sicher und ohne Kontrollen zunächst nach Barinas gen Westen – und – wir sind endlich in Südamerika wie wir es lieben, angekommen: kunterbunte, durch Rost zusammengehaltene Busse. Durch die herausschreienden Ortsnamen in aller Herren Länder finden wir auch schnell unseren Anschlussbus nach Mérida… In Bauchladenmanier versuchen manch Leute ihr Zeugs an den Mann zu bringen… nur die Hitze, die passte uns weiter nicht.

Die alte Karre quälte sich mühsam Serpentinenstraßen hinauf. Die Nebelwälder der Andenvorläufer heißen uns willkommen und lassen uns prompt das Busfenster schließen… die Tropenhitze wurde von der Gebirgsluft abgelöst… uns kann man es aber auch nicht recht machen. Immerhin schafft das Schrottding einen Pass von 3500m… die Strassen sind massenhaft von Bananenstauden und Wasserfällen umgeben und schlängeln sich eng durch die an den Hängen drängenden Ortschaften.

Der Schweizer Markus von der Posada Casa Alemana Suiza holte uns vom Busbahnhof von Mérida ab und war uns bis dato in allen Belangen sehr behilflich, was unsere Bergtouren hier betrifft sowie unser Weiterkommen nach Caracas und schließlich nach Quito/ Ecuador.

Mérida selbst wird als Outdoormekka angepriesen und zudem als eine Stadt mit jugendlichem Flair wegen der hier wohnenden Studenten… Mérida schmiegt sich an einen Talkessel mit begrüntem und wolkenverhangenem Bergpanorama. Der Blick auf die hohen Andengipfeln mit dem 5000m hohen Pico Bolívar blieb uns allerdings bisher verwehrt. Zumindest fühlen wir uns hier wieder wesentlich mehr südamerikanischer: die typische Plaza mit ihrer Kathedrale, Schuhputzerstände, endlich wieder Obst und Gemüse an jeder Straßenecke, Popcornverkäufer, funktionierendes Chaos im Straßenverkehr mit Vehikeln, die sicher noch nie dem TÜFmann Guten Tag gesagt haben, funktionierendes Chaos der öffentlichen Verkehrmitteln, das uns jedes Mal aufs Neue fasziniert – quietschbunte, in allen Größen und Formen vorzufindende Rostlauben, die ohne existierenden Fahrplan ihre Routen durch den Verkehrsstau finden. Haltestellen gibt es nicht, ein- und ausgestiegen wird auf Zuruf und Handzeichen. Von Früh bis Spät kommt man somit im Zentrum auf einer Art Busfließband von A nach B…

Was diese für uns erste Großstadt in Venezuela von anderen uns bekannten südamerikanischen Großstädten unterscheidet, sind die Bettler, die fehlen. Inwieweit da Hugo seine Hand im Spiel hat, können wir nur vermuten.

Vom Studentenleben selbst bekommen wir nicht wirklich etwas mit. Unsere „Auf -die -Piste -gehen -Aktion“ verpuffte an unserem mulmigen Gefühl, mit Tevas und Softshellhose zu underdressed zu sein im Vergleich zu dem aufgetakelten und zurechtgeformten Jungvolk. Im Vergleich zu unserem Guide für die kommenden 6 Tage ist unser Outfit jedoch wiederum overdressed, wenn man sich sein Equipment anschaut, mit welchem er in die hohen Berge geht…

Auf eigene Faust akklimatisierten wir uns für den mit 5007m hoch datierten Pico Bolívar 3 Tage lang im Valley La Culata unweit von Mérida. Mit einer per Hand aufgezeichneten Karte machten wir uns auf die Suche nach dem Pico Pan de Azúcar und fanden ein feucht-vernebeltes Vergnügen … Ein Dauerregen überlegte sich, doch mal ausgiebigst unser neues Zelt zu testen – Stiftung Warentest meint „Sehr gut“! 2 Nächte auf einem 4100m hoch gelegenem Plateau schafften es, den Magen zu beruhigen, das Pochen im Kopf zu stillen und den Appetit wiederherzustellen. Der Aufstieg auf den Zuckerberg querfeldein, technisch weniger anspruchsvoll, verlangte jedoch ob seiner Höhe dann doch schon mehrere Atempausen ab – letztendlich erfreuten wir uns, auf dem bisher höchsten Punkt unserer noch jungen Reise zu stehen – auf 4660m! Der Ausblick gigantisch, wenn es die uns umhüllende Wolke auf dem Gipfel zugelassen hätte… So blieb der gesamte 3-Tage-Trek ein Mystikum im Nebel, schaurig schön ob seiner gespenstischen Verlassenheit, der im Nebel auftauchenden Pferdehorden und seiner unsichtbar rauschenden Wasserfällen. Die Farbtupfer bescherten satte saftig grüne Feuchtwiesen und die unzähligen farbenfrohen Blüten im schönen Culata-Valley. Nicht auszumalen, mit welch buntem Leuchten wir bei Sonnenschein beschenkt worden wären…

Die Rückfahrt nach Mérida gestaltete sich wieder auf höchstem südamerikanischem Niveau. Der vollbesetzte uns entgegenkommende Schulbus nahm uns auf seinem Rückweg per Anhalter zum Umschlagpunkt der öffentlichen Minibusse mit und diese uns schließlich ins Zentrum… darauf ist doch irgendwie immer Verlass :)

Morgen nun begeben wir uns auf einem 6 Tage Trip auf dem Weg zum Pico Bolívar, dem höchsten Berg von Venezuela. Es hört sich spannend an… genauso wie die Weiterreise dann nach Ecuador… momentan rebelliert die Polizei a bissl gegen den Präsidenten, das Ganze soll noch bis Freitag gehen… wenn alles gut geht, ist sozusagen nach unserer Bergtour alles vorbei… wir sind zuversichtlich :)

Das Wetter hier indes beschert, dass Mérida gen Osten abgeschnitten ist… permanente Regenfälle, die laut Markus sehr ungewöhnlich sind und mittlerweile fast 3 Wochen anhalten, haben die Straße nach Barinas aufgrund von Erdrutschen unpassierbar gemacht… Schwein gehabt :)

Ach ja, noch was venezolanisches: Schokolade hier ist (verhältnismäßig) sau teuer, eine Tafel Schokolade kostet nach dem Schwarzmarktkurs umgerechnet ca. 1,70 €!! Und Nutella?? Ich habe noch kein Nutella gesichtet! Und lebe noch! Hat jemand gesagt, das Zeug macht abhängig? Das Gegenteil ist nun bewiesen, mir geht es gut :)

Und nicht nur die Toilettenspülung geht hier andersherum, auch die Türschlösser – sehr gewöhnungsbedürftig, wenn man erst mal immer zuschließt, wenn man die Tür doch eigentlich öffnen möchte…

Und hach, die sozialistischen Freunde aus China werden wohl von El Presidente eigens nach Venezuela geholt, um hier die Bodenschätze auszubeuten – was früher also der böse Ami war ist nun der Chinese. Zwei Nebeneffekte hat das ganze auch noch, die kleinen Handelsgeschäfte sind fest in Asiatischer Hand und man kann gut und preiswert chinesisch  Essen gehen. :)

Estoy cansada, quiero ir a dormir… hasta luego aus einem fernen Land von den 2 erwartungsfrohen Bergbegeisterten

Claudy y Christian

PS:

1. Die Bildergalerien von Roraima und Canaima sind nun in den Newslettern eingefügt. Hier klappt der Internetzugang wesentlich besser :)

2. JUCHHEI – wir freuen uns über einen 2. Platz beim Alpinfotowettbewerb vom September mit dem Thema  “Am Gletscher” :))

PeritoMoreno4

3. JUCHHEI – wir freuen uns über den 4. Platz beim Fotowettbewerb “Mein schönstes Alpenfoto” :))

grossvenediger48__

Kommentieren ist nicht erlaubt.