Der gesalzene Blick

Chile Part I – Abenteuer am höchsten Vulkan der Erde – Ojos del Salado, 6.893m

Alles fing damit an, dass ich eigentlich keine hohen Berge mehr angehen wollte. Nach meinen Erfahrungen am Aconcagua, an welchem ich ja zum zweiten Mal den Rückweg antreten durfte ohne seinen Gipfel gesehen zu haben – geschweige denn darauf stolziert wäre, hatte ich doch starke Zweifel, ob ich je auf einen hohen 6000er das Gipfelglück geniessen darf. Aber dank der Claudy, die fest überzeugt das Ziel unserer nächsten Busfahrt herausposaunt hat, durfte ich noch mal alle Kraft sammeln und auf den höchsten Berg von Chile namens Ojos del Salado marschieren. So wie ich bereits von Claudy´s Psychologiekünsten lernen durfte, gibt es nämlich kein ´eigentlich` im deutschen Sprachgebrauch! Da stand ich nun an dem Punkt, an welchem es an einem Berg nicht mehr höher hinausgeht und hatte es geschafft  – 6.893 Meter über Normal-Null. Ein Rekord für mich und dieses Mal zusammen mit der Claudy.

Alles begann mit einer Busfahrt ins Neue Jahr nach Copiapó im nördlichen Chile. Genau dort, wo die chilenischen Kumpels mehrere Wochen im Bergwerk unter Tage verbringen mußten und Anfang Januar die Dakar für 3 Tage Staub aufgewirbelt hat. Schlägt man unseren Reiseführer auf, ist dort zu Copiapó zu lesen “Das gastfreundliche Copiapó kann Travellern auf die Dauer zwar nur wenig bieten, ist aber eine gute Ausgangsbasis zur Erkundung der einsamen Berge an der Grenze zu Argentinien …”. Die Gastfreundschaft ist wohl eher anderen Reisenden zugeteilt worden, für uns war nur noch das teure Zimmer für 55 Euro zu haben, während alle anderen Zimmervermieter mit einem bestimmten “No” uns wieder vor die Tür setzten. War ein bissel wie Weihnacht bei der Herbergssuche, nur das wir halt noch ein paar Euro für das teure Zimmer in der Tasche hatten und nicht im Stall gelandet sind.

Nach dem netten Empfang starteten wir dann auch gleich die Planung, um zum Berg zu gelangen – aber nicht in Copiapó und nicht zum 01.01.2011. Alles zu, keiner da, Informationen nicht verfügbar. Am Ende haben wir dann doch noch einen freundlichen Herren aufgetrieben, der uns schon am nächsten Tag zum Berg fahren würde. Hierzu benötigt man ein Jeep mit Allrad und genug Benzin. Die notwendigen Genehmigungen für die Polizei und für die Besteigung wollte er gleich mit besorgen und nachträglich zu den Zuständigen faxen, während wir schon am Berg rumkraxeln. So viel Freundlichkeit hat immer einen Haken, dieses Mal war es der Preis. Schlappe 800 USD sollten dafür den Besitzer wechseln. Im Gegenzug würden wir zwei Fahrten von je 5 Stunden über staubige Pisten erstehen. Klingt nach einem komischen Geschäft, aber wir haben ja gesagt und am nächsten Tag sollte es um 8:30 Uhr losgehen. Ein Problem konnten wir aber nicht lösen, wir hatten keine Wanderkarte für den Ojos. Verrückterweise hat der Deutsche Alpenverein (DAV) extra für dieses Gebiet eine Karte erstellt. Diese gibt es ohne Probleme in Deutschland zu kaufen, aber leider nicht in Copiapó, wo doch der Berg vor der Türe steht. Unsere Hoffnungen lagen hier bei den Rangern am Berg.

Nach einer kurzen Nacht mit intensiver Packerei und Tourplanung ging es dann am nächsten Tag los. Vielleicht sollte ich nicht unerwähnt lassen, dass am Berg keine Wasserquelle vorhanden ist und wir somit für die max. geplanten 12 Tage den gesamten Wasservorrat mit transportieren müssen. Insgesamt haben wir dann 104 Liter Wasser durch die Wüste kutschen lassen. Nach dem sonntäglichem Einkauf im Supercenter mit unserem Superfahrer ging es vorbei an Industrieanlagen in Richtung chilenisch – argentinische Grenze, dort wo sich der Ojos in der Puna de Atacama Wüste versteckt hält. Was gibt es da nicht alles zu sehen – surreal anmutende Stahlstrommasten wie an einer Perlenschnur aufgereiht in einer malerischen Bergkulisse, alte und neue Minen die Gold, Silber oder Kupfer von den Bergen abtrotzen, Unmengen von Sand und Kies und sage und schreibe 9 Autos die uns in 5 Stunden entgegengekommen sind. Das Naturkino war sehr beeindruckend, abwechslungsreich und auf eine gewisse Art und Weise auch sehr bunt. Durch den Mineralreichtum der Erde hier schimmern die vielen Vulkanberge in den verschiedensten Farben. Und am Horizont wurden wir wieder Zeuge einer Fata Morgana als sich in der Sonnenglut die Bergkette widerspiegelte! Ein faszinierendes Naturschauspiel! Zu unserer Überraschung kamen wir ohne Zwischenfälle an unserem Tagesziel der Laguna Verde an. Die Lagune liegt umgeben von 6000 Meter hohen Bergen inmitten der kargen Trockenheit. So viel Wasser an einem Fleck in diesem Wüstennichts haben wir nicht vermutet. Da hat sich der Herrgott doch etwas ganz Besonderes einfallen lassen und an die richtige Stelle einen mächtigen Farbklecks mit Wow-Laut-Garantie hinterlassen. Das hier mit Weitsicht gehandelt wurde, können wir auch daran erkennen, dass gleichzeitig noch heiße Quellen neben dem Zeltplatz sprudeln und zu einem Bad einladen. Da sagen wir nicht nein :)

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Hier an der Laguna Verde auf 4400 Meter können wir ersteinmal unserer Lieblingsbeschäftigung der letzten 4 Monate nachgehen – der Akklimatisierung. Also werden wir am Ufer des Sees zwei Nächte an der Strandbar abhängen, bevor es weiter zum Basislager des Ojos geht. Wir haben es schon weitaus schlechter mit solchen Akklimatisierungsplätzen getroffen. Die Sonne lacht, ein Bad ist vor dem Zelteingang, die Szenerie ist großartig und wir sind allein. Nur der Aufpasser ist in seiner Hütte anwesend. Hier machen wir auch gleich unseren ersten Versuch, eine Karte für unsere Besteigung zu organisieren. Und tatsächlich, es gibt eine aktuelle DAV-Karte. Nur ist diese mit Schrauben an die Wand des Refugios geschraubt und somit für uns nicht transportabel. Was uns bleibt, ist ein intensives Studium der Karte und die Aussage des Aufpassers, dass der Weg ganz einfach zu finden sei und man sich nicht verlaufen könne. Die Aussage muss natürlich überprüft werden und so haben wir uns einen kleinen Berg in der Nachbarschaft der Laguna ausgesucht, um dem nachzugehen. Unverfehlbar schlängelte sich der Weg bis auf 5000 Meter bergan, weiter hinauf wollte uns der sturmartige Wind nicht lassen. Das war er also, dieser gefürchtete Sturm, der schon manch Gipfelaspiranten vom Ojos wieder ins Basislager geweht hat.

Leider war es dann mit dem Relaxen an der Lagune vorbei. Irgendwie will so ein Berg ja auch erobert werden und dazu bedarf es einer Fortbewegung in die Höhe. Also auf zum Basislager auf 5.280 Meter, wesentlich kleiner als die Zeltstadt am Aconcagua, lediglich zwei große Essenszelte und eine Hütte des Rangers befinden sich hier. Das Luxushöhenbergsteigen geht weiter -  nicht einen Zeh müssen wir rühren, um an diesen Ort zu gelangen! Mario – der Bergführer – fährt uns die 35 km von der Lagune bis ins Basecamp. Das dauert immerhin 1,5 Stunden, das sagt wohl viel über die Piste. Leider sind wir auch schon wieder um 120 USD ärmer. Am Fusse des Bergkolosses Ojos del Salado gelegen, wird das Camp von einigen anderen hohen Bergen umrahmt und besticht duch seine feine Sandkörnung. Hervorragend geeignet als Schlafuntergrund aber auch als Mitbringsel, da er durch die kleinste Ritze rieselt und immer noch überall zu finden ist. Angekommen im Basislager schlagen wir dem Wind ein Schnippchen und bauen unser Zelt ins Innere eines großen Zeltes – optimaler Windschutz und maximaler Comfort. Unser Sollzeitplan und unser Istzeitplan sind sich mal wieder überhaupt nicht einig, bereits in drei Tagen könnten wir auf dem Gipfel stehen, das sagt die Wettervorhersage! :)  Na das ist mal wieder rasant und ich koche uns erstmal ein Süppchen. Zu tun gibt es wenig, so frönen wir einem Gedankenaustausch zwischen Bergsteigern mit den makabersten Horrorgeschichten.

Der Luxus am Ojos geht in seine Verlängerung, die Gipfeletappe wird von einer Schutzhütte aus angegangen. Leider liegt die auf 5.837 Meter und diese müssen wir dieses Mal erlaufen und schlafen in dieser Höhe ist auch nicht so angenehm. Also heißt es für uns Materialtransport zum Refugio Tejos. Alles, was wir für eine Nacht und einen Gipfelsturm benötigen, tragen wir an einem Tag hinauf. Dieses Mal musste die Claudy mit Erschrecken feststellen, dass sie über Nacht gealtert ist. Wird sie mit 34 eine derartige physische Herausforderung bewältigen? Ich lasse sie ihr Wasser selbst tragen, für die jugendliche Schönheit der Haut ist das nasse Element von immenser Bedeutung! Nach langen und kurvenreichen 3 Stunden auf einer Fahrpiste – richtig, Fahrpiste -  im Notfall können wir mit einem Jeep von der Tejos Hütte gerettet werden – erreichen wir die in einem strahlenden Orange gefärbte Behausung. Innen erwartet uns ein Schlafgemach mit 5 Betten und ein Kochraum mit Sitzecke. Sehr angenehm und sauber. Die besten Betten werden von uns in Beschlag genommen, unser Zeug darauf deponiert und alsbald geht es auch wieder auf schnellstem Wege nach unten. Das dauert dann auch nur 45 Minuten. So nun erstmal ne Suppe kochen und ein paar Kräfte sammeln. Und wieder einmal trinken, trinken, trinken. Nicht so schlimm dieses Mal mit einem wunderbaren deutschen Produkt aus dem chilenischen Supermarkt – Krümeltee von Krüger :)

Was uns noch fehlt, bevor wir zum Gipfel aufbrechen können, ist eine Karte. Die hängt zu unserer Freude in der Hütte von Mario im Basislager. Leider ist diese auch mit der Hüttenwand auf ewig verbunden und somit zu schwer für den Transport zum höchsten Punkt von Chile. Aber wer braucht schon eine topographische Karte für einen 6.893 Meter hohen Berg, wenn man einen Ranger mit umfassendem Wissen dafür zur Verfügung hat. Mario fertigte uns eine kleine Skizze des Weges an und erklärte uns dabei die wichtigsten Punkte. Somit sind wir nun perfekt für den Gipfelsturm – welch ein Wortspiel in dieser windigen Gegend – vorbereitet. Falls wir doch nicht mehr weiter wissen, zählt ab jetzt ein WalkieTalkie zu unserem Gipfelgepäck :)

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Mit dem Wissen von Mario, dass es nur 25% der Gipfelaspiranten auch bis auf den höchsten Punkt schaffen, brechen wir am nächsten Tag erneut zur Schutzhütte auf. Wir fühlen uns gut, rennen heute geradezu nach oben… Gute Zeichen vor der letzten Etappe sind immer willkommen und so machen wir uns mit Freude daran, Wasser zu kochen und mal wieder eine unserer heißgeliebten Suppen zu verspeisen. Mit uns sind noch 3 Italiener in der Hütte, auch sie wollen am nächsten Tag den Gipfel in Angriff nehmen. Bei Sonnenuntergang legen wir uns schlafen, das fehlende Sonnenlicht in der Hütte hält uns zu nichts anderem an… Die Nacht wird wie erwartet unruhig, mal wieder liegen wir auf der Lauer auf das Läuten der Uhr, auf Zeichen unseres Körpers, wie er die Höhe verkraften wird. Es ist alles gut und wir finden für kurz einen festeren Schlaf. Der Wecker klingelt uns um 3 Uhr aus den Betten, um uns daran zu erinnern, was uns an diesem Tag noch bevorsteht. Also raus aus den Daunenfedern, in der Hütte sind es immerhin -5 °C, und den Kocher in Gang gesetzt. Pünktlich um 4 Uhr sind wir abmarschbereit. In dicker Daunenjacke, 3 Paar Hosen und Fausthandschuhen suchen wir uns den Weg aufwärts. Die Kraft Millionen funkelnder Sterne reichte nicht aus, uns den Weg zu leuchten, aber es war gigantisch, unter einer derart kräftigen und wild flackernden Sternenkulisse existieren zu dürfen! Unser Thermometer am Rucksack zeigt -15°C an. Die Italiener starten erst um 6 Uhr, um nicht zu lange in der Eiseskälte unterwegs sein zu müssen. Wir jedoch haben Respekt vor dem um die Mittagszeit einsetzenden Wind, der einem das Gipfelglück vermasseln kann und bauen ein wenig Reservezeit ein. Wenn alles gut geht, kommen wir nach 8 Stunden am letzten Gipfel unserer Tour an. Den Weg finden wir anhand der Skizze auch in der Stockfinsternis ohne Probleme. Es ist eine ausgetretene Spur vorwiegend aus Sand und kleinen Steinen. Als sich dann endlich gegen 7:30 mit der Mörgendämmerung die wärmenden Sonnenstrahlen ankündigten, freuen wir uns ob der zunehmenden Nähe zum Vulkankrater. Etwas Sorge bereiteten mir meine Füße. Claudy schien o.k. zu sein. Zwar stecken meine Zehen in Doppelschuhen und zwei Paar Strümpfe sollen zusätzlich vor Gefrierbrand schützen, dennoch sind sie irgendwie kalt und gefühllos. Es wird immer schlimmer, Horrorvisionen schießen durch mein sauerstoffmangelndes Gehirn! Wir legen auf ca. 6.400m eine Pause ein, um nach meinen Zehen zu schauen. Plastikschuh aus, Innenschuh aus, Strümpfe aus, auf den Zehen rum gehauen – nichts! Kein Gefühl mehr! Verdammt! Panisch rede ich mir ein, mir meine Zehen abgefroren zu haben. Ich muss sofort absteigen, um meine Zehen zu retten! Dabei fühle ich mich so gut heute, dass ich den Gipfel schaffen kann. Selbst das Übergeben weiter unten machte mir nichts aus, das schien wohl normal zu sein. Alles Kneten, Wärmezuführen mit Taschenwärmer oder Bewegen hilft nicht. Die Zehen haben kein Gefühl mehr. Schweren Herzens zücke ich das WalkieTalkie und erkläre Mario, dass ich absteigen muss und Claudy den Gipfel versuchen wird. Wir probieren noch eine Weile dem Fuß wieder Leben einzuhauchen. Claudy steckt ihn unter ihre Daunenjacke und massiert die Zehen. Nach einer Stunde Intensivbehandlung kommt so etwas wie ein Gefühl zurück, es kribbelt leicht und ich beschließe, noch ein Stück weiter zu gehen. Das lange Herumstehen hat nun Claudys Füssen nicht gut getan, so dass sie für kurz auch ihre Zehen behandelt. Mit der stärker werdenden Sonne und einer während des Steigens ausgiebigen Zehengymnastik im Schuh ist es bald wie immer und meine Zehen müssen zum Glück nicht amputiert werden. Mit diesem beruhigenden Gefühl geht es nun weiter bergauf, vorbei an einem Schneefeld in endlosen ZickZacks dem Kraterrand entgegen.

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Der Atemrhythmus gibt die Steigegeschwindigkeit vor – Einatmen – Schritt linker Fuß – Ausatmen – Schritt rechter Fuß und dabei immer darauf achtend, einen festen Tritt zu finden, um nicht wieder im tückischen Geröll ein Stück nach unten zu rutschen. So erklimmen wir die letzten Meter und stehen am ersehnten Kraterrand des Ojos. 6.700m über dem Meer ! Große Freude breitete sich aus, war das doch mein erklärtes Ziel und nun sieht es so aus, als ob meine Kraft auch bis ganz nach oben reichen wird. Noch 190 Höhenmeter trennen uns vom Gipfel und wollen erklettert werden. Im Krater selbst befindet sich eine Eiswüste. Nach einer wohlverdienten Rast mit Tee und Gummibärchen – ja soetwas gibt es auch hier in Chile – begeben wir uns gemeinsam mit den Italienern in die Spur zum höchsten Punkt Chiles. Im Inneren des Kraters führt uns der Weg im Halbkreis in Richtung Südgipfel. Als Schmackerl erwartet uns am Ende noch eine kleine anregende Kletterei, die mit Seilen abgesichert ist. Über uns hören wir den Wind peitschen. Er flößt uns Respekt ein und läßt mich für kurz überlegen, mich nur wenig unterhalb des Gipfels selbst zu beglückwünschen und umzukehren. Doch nicht nur der Wind zeigt immense Energie, auch Claudy ist auf dieser Tour die treibende Kraft und steigt weiter. Die letzten 90 Meter am Seil schaffen wir auch noch und setzen schließlich unseren Hintern auf den höchsten Vulkan der Erde, auf dem zweithöchstem Berg Amerikas – geschafft! Nur der Sturm mag uns wohl nicht hier oben und hätte gern, dass wir schnell wieder verschwinden. Aber erst geniessen wir die überaus fantastische Rundsicht in ein Ölgemälde aus Vulkanen, der Laguna Verde und der überaus faszinierenden Weite der Puna de Atacama! Ich bin überglücklich, müde, kaputt, bezaubert und halb taub vom Wind! Vor lauter Gehirnverneblung vergesse ich auch noch die Claudy nach unserer gemeinsamen Zukunft zu fragen. Vertane Chance!!! Nun wird es wohl noch mal ein Berg werden müssen, Verdammt!!!

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Mario wollen wir noch informieren, dass alles gut ist und das WalkieTalkie kratzt. Kontakt gibt es nur zu einem Italiener neben uns auch gerade im Versuch, Mario zu erreichen :) Der Ranger scheint ausgeflogen oder hält Siesta – zum Glück ist das kein Notfall!! Die mühevoll erkämpften Höhenmeter gilt es nun wieder nach unten zu kommen, um sich von der sauerstoffreichen Luft einen Kick versetzen zu lassen. Hier wählt jeder sein eigenes Tempo und in der für uns schon alt bewährten Weise rutschen wir in unserem heißgeliebten Sand- und Kiesgemisch abwärts. Nach 2,5 Stunden stehen wir erneut am Startpunkt unserer Tour, immerhin noch 10 Minuten schneller als der Rekordhalter für den Aufstieg zum Gipfel benötigt hat. In der Hütte warten schon die nächsten Schlafgäste und fordern uns auf, schnellstens unsere Nachtlager zu räumen. Dabei würden wir viel lieber etwas essen, uns ausruhen, ein bissel dösen – alles bloß nichts Anstrengendes!!! Danke liebe Bergkameraden! Unter ungeduldigen Blicken packen wir unsere 7 Sachen und sehen zu, dass wir auf dem schnellsten Weg in das Basislager absteigen. Der Weg zieht sich dahin und die rettende Oase will heute nicht näher rücken. Doch schließlich kommen wir auch hier an, an unserem Zelt mit all den schönen Vorräten. Was wir jedoch wirklich wollen, bietet unsere Vorratskammer nicht – eine heiße Dusche, ein Bier, ein Softeis, ne Cola und eine große fette Portion Pommes! Alles nicht da! Okay  – ich koche ein Süppchen aus der Tüte und schneide zur Feier des Tages 5 Wiener mit hinein. Ja, so ein Gipfelerfolg will ausgiebig gefeiert werden :)

Meine Rechnung ging auf, mit meinem repariertem Brillengestell konnte dieses Mal überhaupt nichts schief gehen. Et voilá – Modelo Ojos:

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Satt und staubig gehen dann um 20 Uhr die Lichter aus und im Traum liege ich schon am Strand und die Berge können mich mal. This is the end!!!!

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Vor dem Strand steht noch die Rückfahrt nach Copiapó für heute auf dem Plan. Endlich wird der seit Jahren auf Wanderschaften in der südamerikanischen Bergwelt im Spaß posaunte aus einem wohlbekannten Lied entlehnte Spruch – vamos a la playa – sich bewahrheiten! Und das gleich in doppelter Hinsicht, fühlt man sich doch schon an der Laguna Verde an den karibischen Strand versetzt… und nun soll es tatsächlich an den Ozean gehen! Keinen Gedanken mehr daran verschwenden, wie es mit unserer Akklimatisierung steht. Ein irgendwie befreiendes Gefühl! Nach einer liederlichen Packeinlage – den ganzen Bergsteigerkrempel brauchen wir ja jetzt eh nicht mehr – steht noch eine Überraschung ins Haus. Im Basislager treffen wir zwei Bolivianer aus La Paz, die natürlich unsere Bergführer Carlos und Augustin kennen. Auch ein Sachse aus dem Vogtland gibt sich ein Stelldichein – Mensch ist die Welt klein. Und oh Wunder wie vereinbart steht unser Fahrer am Mittag für den Transport bereit. Auf der Fahrt zur Hauptstraße wird uns dann noch mitgeteilt, dass noch zwei weitere Passagiere zusteigen und die umliegenden touristischen Attraktionen angefahren werden – für uns kostenlos, wie uns im Flüsterton mitgeteilt wird. Vielen Dank, aber wir wollen doch eine Dusche, nen Bier und ne Cola und dann an den Strand, stattdessen haben wir nochmals die Chance, uns vor der ersehnten Dusche in der Thermalquelle der Laguna Verde einzuweichen, die Vorwäsche quasi :) Fotostopps noch hier und da. Ich mach mal die Augen zu und freue mich schon auf eine Pina Colada im Liegestuhl am Strand. Copiapó liegt vor uns, die Atacama und unseren Traum der 7andessummits lassen wir zurück.

Spät angekommen in Copiapó beginnt das Spiel von der Herbergssuche von vorn. In zwei Tagen macht die Rallye Dakar hier halt und die Unterkünfte sind voll belegt. Nach einiger Suche haben wir Glück und im “Palace Hotel” ist ein Zimmer für nur 55 Euro zu haben – das Ganze natürlich ohne Frühstück. Das Zimmer ist klein und bietet kaum Platz für unsere 3 großen Packstücke. Die Dusche bleibt kalt, die Nase wird mit einem köstlichen Klogeruch beglückt, die Anlage strotzt vor Schäbigkeit und die wilden Katzen verströmen einen süß-sauren Geruch. Willkommen im Traumpalast!!! Wir sind wirklich nicht ansprungsvoll, aber hier passen Preis und Angebot nicht zueinander, ein Umstand, welcher uns das Ankommen in der Zivilisation erheblich erschwert! Nach einer Körperreinigungseinlage mit kaltem Wasser geht es in die Stadt, um noch unseren Essenstraum von gestern zu erfüllen. Aber entweder sind die Lokale bereits geschlossen oder wir werden nicht mehr bedient. Zum Glück gibt es aber auch hier einen fleißigen Chinesen, der gern unsere Pesos annimmt und uns mit Nudeln, Cola und Bier versorgt. Auf die Asiaten ist halt doch Verlass! Unsere Bemühungen, für die nächsten Tage eine bezahlbare Unterkunft an den nur 70 km entfernten  Badeorten zu ergattern, scheitern kläglich am Preis! Und so stranden wir für eine weitere Nacht im Palace Hotel. Am nächsten Tag schließlich gelingt uns die Flucht und wir verschwinden im Sausewind aus dieser gastfreundlichen Stadt in Richtung La Serena am Pazifischen Ozean. Ein Puh auf die Dakar, wem interessiert das schon, wenn man sich einfach nur von den geistigen und physischen Anstrengungen am Berg erholen will. In La Serena erwartet uns ein gemütliches Hostel inmitten einer herzerwärmenden chilenischen Familie, wärmende Sonne, Strand, Spiel, Meer, sauerstoffreiche Luft auf Normal Null, Faulenzerei, Müßiggang, Relaxing – kurz um – alles das, was wir seit Oktober nicht hatten.

Wir freuen uns darauf und drehen uns nicht um, als wir Copiapó im Bus hinter uns lassen!

Von unserem Gefühlschaos nach einem erfüllten Traum berichten wir Euch das nächste Mal. Ab nun heißt es Sommer, Sonne, Strand und keine Berge mehr!

Hasta luego und bringt mir den Winter wieder vor die Wohnungstür, was soll dieses Tauwetter!?! Haltet die Ohren steif gegen das Schmelzwasser und bleibt schön gesund,

Christian y Claudy

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