Über die Zeitbrücke zurück in die Zukunft

Bolivien Part I – La Paz und das höchste Skigebiet der Welt

Unsere Reise führt uns weiter Richtung Süden und wer im Geographieunterricht aufgepasst hat, weiß, dass sich südlich von Peru das wunderschöne und das sich viel Ursprünglichkeit bewahrte Bolivien anschließt. Hier gaben wir 2007 schon ein Gastspiel und freuten uns riesig, wieder in diesem Land unterwegs sein zu dürfen. Unser Weg führte uns von Puno/ Peru über den geschäftigen Grenzübergang in den turbulenten Regierungssitz von Bolivien La Paz – Geographie-Leistungskursbesucher können hier mit Ihrem Wissen punkten, falls sie die Hauptstadt von Bolivien kennen. Die 6-stündige Fahrt ging an dem Ufer des tiefblauen Tititacasees entlang, dabei die imposante bolivianische Bergkette der Cordillera Real mit ihren Gipfeln weit über 6000 Meter immer fest im Blick. Claudy manchmal aber auch nur vor ihrem inneren Auge :). Das Phänomen der Zeitbrücke ist für unser irdisches Wissen zuviel des Guten, nicht greifbar die Realität, nur durch eine Brücke getrennt in eine andere Zeit zu laufen… In Bolivien ist es eine Stunde später als in Peru! Was man auf dieser Brücke alles veranstalten kann… Rekordläufe…. Zurück in die Vergangenheit…. Komisches Gefühl :) Das Glück begleitete uns und unsere Taschen waren dieses Mal nicht geeignet für eine Entwendung und wir erreichten Bolivien ohne weitere Verluste.

Adios Peru – Hola Bolivia!

Wir fühlten uns sofort wieder heimisch in „unserem“ La Paz. Vieles ist immer noch so wie es vor drei Jahren war – der Verkehr ist weiterhin chaotisch, die Bevölkerung bunt zwischen Indigenen und westlich orientierten Menschen gemischt, die Bürgersteige sind schmal und werden zusätzlich von Verkaufsständen verkleinert und über allen herrscht eine Glocke aus Abgasen und Lärm.

Unser Ziel hier ist ja der Sajama – also der Berg der am höchsten in den Himmel ragt innerhalb der Grenzen von Bolivien. Unsere Vorrecherchen bzgl. Bedingungen am Berg waren nicht mit günstigen Meldungen gesegnet. Es gab nur eine Agentur, die das Unternehmen Sajama mit uns in Angriff nehmen wollte und dafür nicht Phantasiepreise aufrief. Mit dieser Agentur wagten wir  vor drei Jahren den Aufstieg zu unseren ersten 6.000er – oh sorry damals war ich lieber Richtung WC unterwegs, während die Claudy den Gipfel gestürmt hat.

Da man in so einem Land nur richtig entspannen kann, wenn die Hausaufgabe – Sajama – erfolgreich erledigt wurde, führt unser erster Weg nach dem Einchecken im Hotel direkt zur Agentur unserer Wahl namens Travel Tracks. Die Freude war groß, als wir unsere alten Weggefährten von vor drei Jahren wieder trafen – die Inhaberin Aly, unseren ersten Guide Silverio und unseren Fahrer Freddy. Aly und Silverio konnten sich sogar noch an uns erinnern und wir sprachen über unsere vergangenen Abenteuer – ja wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, nimmt die Vergangenheit eine immer größere Rolle im Leben ein:). Nach einem regen Informationsaustausch wechselte das Geld den Besitzer und wir nahmen unseren Reiseschein für eine 4-tägige Tour zum Gipfel des Sajama entgegen. Ach noch was, wenn jemand die Absicht hat, auf einen 6.542 m hohen Berg zu steigen, sollte er sich vorher etwas in der Höhe aufhalten, damit ihn Kopfschmerzen, Übelkeit oder Hirnödem erspart bleiben. Also brauchen wir noch eine Nacht in ansprechender Höhe. Schnell ist eine 2 Tage-Wanderung auf dem Altiplano mit Aly und Silverio besprochen, welche die Akklimatisierung unterstützen wird. Das Wichtigste ist nun erledigt, aber der Tag hat noch etwas Zeit für uns parat. Das ist gut, denn unser Weg geht schnurstracks zu meinem Namensvetter den Schweizer Christian, da dort die besten Karten zu erstehen sind und viele Tipps für die Berge in Bolivien kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Das Wissen bzgl. Bergwelt, Land und Leute und die letzten Katastrophen scheinen bei Christian unendlich und nur sein Mitteilungsbedürfnis ist noch etwas größer. So gibt es Geschichten vom jüngsten Raub an der Mautstelle mit 2 Toten Polizisten, Tot bei einer Straßenblockade von Bauern, abgestürzten Bergsteigern, verprügelten Italienern im Basecamp vom Illimani, entführten Touris in El Alto, unseriösen Bergführern, die ihre  Klienten am Berg losbinden und nach Hause gehen und andere aufmunternde Geschichten. Nach 3 Stunden wurden wir dann entlassen und hatten zu guter Letzt noch eine Wanderkarte in unseren Händen :)

Unser freier Tag ging dann doch wieder zu Gunsten der Akklimatisierung flöten. Das geht hier in la Paz aber ganz prima. Es bedarf nur den Willen, etwas einkaufen zu wollen und schon ist man in den steilen Straßen bergauf und bergab unterwegs und das alles auf einer Höhe von ca. 3.800 m. Akklimatisierung soll hier wohl sogar während des Biertrinkens möglich sein, da passte es, dass wir für diesen Abend eine Verabredung mit einen Bekannten aus einem Bergsteigerforum hatten, der eigentlich auch mit uns zum Sajama wollte. Treffpunkt war klar, ein Irish Pub sollte es sein am Plaza Avaroa. Nicht schwer, Stadtplan her und losgelaufen, ist ja alles wie ein Schachbrett hier aufgebaut, 2 Straßen nach unten und dann 5 Straßenblöcke nach rechts und rechter Hand wird der Plaza auftauchen. Als wir da waren, war der Plaza nicht zu sehen. Nun durfte auch Claudy mal den Stadtplan bedienen und siehe da, der gute Kriese hat uns doch glatt in die entgegen gesetzte Richtung geführt. Also Taxi für 10 BS angehalten und auf zum Pub :)

Nach erfolgreicher Akklimatisierung in La Paz startete am nächsten Tag unsere Wanderung durch das Altiplano. Der Ausgangspunkt der Tour konnte für uns wintersportbegeisterten Thüringer nur das höchst gelegene Skigebiet der Welt sein. Mit Touri -Tagesausflüglern welche von allen möglichen Hostels in La Paz eingesammelt wurden, ging es in einem Stadtbus auf zum Chakaltaya. Wir mit Rucksack und Zelt, die anderen mit Sonnenhut und Cola. Der Bus quälte sich aus der Stadt heraus vorbei an Claudys Huayna Potosi auf Schotterpiste aufwärts bis auf 5.300 m!! Dort war dann auch Endstation für den Bus und Startpunkt zum „Aufstieg“ zum Gipfel auf 5.430 m. Neben den Busparkplatz gab es hier noch eine Schutzhütte, alte Lifte und windschiefe Versorgungshäuser. Also Rucksack geschultert, die anwesenden Hütten-Leute mit unseren großen spanisch Kenntnissen nach dem Weg zur Ziel-Lagune gefragt, schnell auf den Gipfel rauf, Foto für die Gipfelsammlung geschossen und zur Verblüffung der anwesenden Touris mittels Schotter-Abfahrt auf der anderen Seite des Berges abwärts zum sich abzeichnenden Weg gerutscht. Dann sollte es immer links um das Bergmassiv herum gehen und 3 Stunden später erscheint die Lagune, so wurde es uns prophezeit. Der Weg ist von oben gut zu sehen und auch weiter unten gut zu finden. Das dumme ist nur, dass der Weg nach ein paar hundert Metern aufhört. Macht aber nichts, dass Wetter ist gut und wir haben unsere Übernachtungslagune immer fest im Blick und natürlich vorsorglich auch mit dem Kompass die Marschrichtung bestimmt. Zu unserer Überraschung kommen wir jetzt an immer mehr verlassenen Minen vorbei, die in den Fels gehauen wurden. Was für eine Knochenarbeit hier mit Spitzhacke und Schaufel ein paar edle Erze zu tage zu fördern.

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Uns zieht es weiter bis es links um den Fels rum nicht mehr weiter geht, es sei denn, man heißt Reinhold. Also geht es für uns in einer steilen Schuttrinne hinab – bitte jetzt nicht ausrutschen sonst geht es mit ungewollter Geschwindigkeit bis ganz nach unten! Am Ende der Abfahrt wartet schon eine Lamaherde auf uns und der nette Hirte bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind, puh! Zur Belohnung bieten wir ihm eine Waffel von unseren Vorräten an. Es kommen wieder die berühmten Kulturunterschiede zum Vorschein – anstatt einer Waffel aus der Packung nimmt er großzügig das ganze Packet, lacht und zieht mit seiner Lamaherde davon. So ne Waffel scheint in den Anden wohl gern als Zahlungsmittel genommen zu werden :) Für uns geht es weiter immer um den Berg herum. Vor uns liegt die Lagune, aber was ist das auf dem Weg und warum steht hier ein Kreuz mitten im Nichts? Nach eingehender Untersuchung einigen wir uns darauf, dass hier wohl vor einiger Zeit ein Flugzeug abgestürzt sein muss. Es liegen hier noch einige Frackteile herum – irgendwie ist das doch recht gruslig und bedrückend.  Was genau passiert ist, wissen wir nicht und Google haben wir noch nicht befragt. Unseren Gedanken überlassen trekken wir durch das karge Land. In der nahen Ferne dann ein paar neuere Häuser an einer Lagune. Je näher wir kommen, desto deutlicher wird es, es handelt sich um eine neu eingerichtete Eco – Lodge. An der Lagune sind Boote festgemacht, ein Steg führt etwas in eine Sumpflandschaft hinein und eine Pistenanbindung an La Paz ist auch vorhanden. Nicht zu vergessen sind die Bänke, auf denen wir erstmal eine kleine Mahlzeit einnehmen. Nach anregender Unterhaltung mit den „Bewachern“ der Anlage – ja, meine Spanisch Kenntnisse werden immer besser während Claudy demonstrativ schweigt – entscheiden wir uns im Selbstversorgungsraum zu nächtigen und nicht auf dem durch Steinmauern abgegrenzten Zeltplatz – gute Wahl! In der Nacht regnete es und das Zelt ist schön trocken im Rucksack. Nach dem die Rechnung in Höhe von 1,50 Euro pro Person bezahlt ist, machen wir uns am nächsten Tag auf zu unserem Endpunkt, der 2 Stunden entfernt bergauf liegen soll. Mit geschnürten Schuhen geht es weiter und wir können noch einen weiteren namenlosen Gipfel für unsere Sammlung verbuchen, bis wir nach einer kleinen Querfeldein-Einlage an der Straße nach La Paz herauskommen. Hier greift wieder das chaotische unkomplizierte System des südamerikanischen Personenverkehrs – an die Straße gestellt, Bus angehalten, bis irgendwo in La Paz gefahren für 0,50 Euro, wieder an die Straße gestellt und ein Sammel-Mini-Bus angehalten Richtung Zentrum für 0,15 Euro, an der richtigen Stelle aussteigen und noch ein paar Meter bis zum Hostal laufen und schon ist man der wohlverdienten Dusche ganz nahe. Vielleicht sollte die DB mal jemand hier vorbeischicken und das System für Deutschland prüfen.

Wie immer, wenn wir wieder nach La Paz einreiten, nimmt sich der gute alte Evo Zeit und empfängt uns mit den gebührenden Ehren. Für uns ist das immer etwas lästig, da wir mit verstaubten Schuhen und dreckigen Hosen über den roten Teppich stolzieren müssen und die Parade abnehmen dürfen – da wäre uns ein kühles Bier oft lieber.

Wohl akklimatisiert, mit frisch gepressten Orangensaft für 0,25 Euro vom Straßenrand getränkt und die Rucksäcke gepackt, sind wir ready to go for the Sajama. Vom Abenteuer an  diesem Berggiganten berichten wir im nächsten Newsletter! Nur schon eins zur Beruhigung aller Mitfiebernden, wir sind bereits heile zurück und sitzen bereits wieder auf gepackten Koffern für den zweithöchsten Berg hier – wir sind dann mal weg :)

Und ihr habt es bald geschafft, den tristen November zu bewältigen…. Wir drücken die Daumen für diese Herausforderung und wünschen Euch von Herzen ein schönes Wochenende!!

Liebste Grüße von unterwegs!

Christian y Claudy

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