Unterwegs in den Ötztaler Alpen

Am ersten Juli- Wochenende war es endlich wieder soweit! Unsere erste Hochtour 2010. Endlich dort, wohin uns unsere Sehnsucht trieb. Endlich austesten, was wir uns nach unserem Trainingsplan errungen haben. Endlich raus, endlich hoch… endlich für unendliche Erlebnisse in einer faszinierenden Gletscherwelt! Zusammen mit unseren Bergfreunden Janina und Daniel wollten wir unser Wissen vom DAV-Grundkurs 2009 in den Ötztaler Alpen auffrischen und verfestigen. Unsere Wahl fiel auf eine Tour vom Kaunertal/ Gepatschhaus über den Gepatschferner zur Rauhekopfhütte als Ausgangspunkt für die Besteigung der Weißseespitze. Für den Abstieg entschieden wir uns für den Weg zum Brandenburger Haus, um von dort auf den Fluchtkogel und auf die Hochvernagtspitze und weiter zur Vernagthütte zu gelangen. Am letzten Tag sollte uns der Weg über das Gepatschjoch zurück zur Rauhekopfhütte führen… und die deutsche Elf uns hoffentlich ins Halbfinale!

Gesagt und gestartet, gemeinsam von München … Vier, die loszogen, für einen Outdoorkatalog fotozushooten. Anders können es kaum Außenstehende für voll genommen haben – das neue Equipment blendete regelrecht ob seiner Jungfräulichkeit! Zum Glück verlor es diese an der Wildnis der Berge…

TAG 1

München – Innsbruck – Feichten/ Kaunertal – Gepatschhaus (1.928m) – Rauhekopfhütte (2.731m)

Das Wetter spielt mit, der Wecker leider nicht. 6.00 Uhr klingelt uns das Mistding aus den Schlafsäcken! Oder ist es doch der Berg, der ruft? Anstrengung vermeidend werden die 7 Sachen zusammengesucht und gefunden. Die erste kleine Tour findet mit dem Gepäck auf dem Rücken um die Münchner Häuserblocks zum nächsten Bäcker statt. Mit Butterbrezle und Kaffee zum Auto gepuscht, wird der Beifahrersitz zum Schlafgemach und die Rückbank zum Treff des unbändigen Lesezirkels – aus der Süddeutschen werden die letzten News aufgesogen, bevor es fernab jeglicher Zivilisation geht.

Mein Gemüt zog trotz der mittlerweile uns umgebenden Berggiganten immer noch diese Schlafsitzhaltung vor, selbst Streichhölzer hätten es nicht vermocht, meine Augen offen zuhalten. Erst der Schock über die hohe Maut über die Kaunertaler Gletscherstraße (22,-€) und die hoffnungsvolle Erwartungshaltung ob der Kehre 28, von welcher uns Steinböcke zujubeln sollten, kurbelten meinen Kreislauf erregt an. Die Jubelschreie blieben aus, der Gepatschstausee eine Baustelle, das Geld war weg und die Zufahrt zum Gepatschhaus verfehlten wir auch ganz knapp. Der Ford jaulte sich den steilen Zufahrtsweg hinauf, Glück gehabt, der letzte Parkplatz gehört uns. Nun die Sachen für das Fotoshooting angezogen, sich der körperlichen Säfte ein letztes Mal auf einem zivilisiertem Klo entledigt. Wasserreserven aufgefüllt. Den Rucksack paßgenau aufgesetzt. Gruppenfoto für die erstaunten Blicke danach. Und es kann los gehen! Halt! Wielange bleiben Sie weg? 4 Tage? Dafür ist dieser Parkplatz nicht gedacht, bitte parken Sie weiter der Straße entlang, da kommt ein freier Parkplatz. Grrr… Rucksäcke ab, wieder paßgenau im Kofferraum verstauen. Nochmal die Gelegenheit für ein kurzes Nickerchen? Nein, zu kurz der Weg. An der nächsten Brücke finden sich freie Plätze für das Auto. Die Sonne brennt. Es ist 11.15 Uhr und wir starten den Aufstieg zur Rauhekopfhütte.

Schnell gewinnen wir an Höhe auf dem 902er Weg und der Blick zurück zum Gepatschstausee belohnt ob der Mühe in der Sommerglut.

….

……

Einladend streckt uns der Gepatschferner seine Zunge entgegen. Immer wieder fasziniert ob der Dimensionen in einer gigantischen Bergwelt.

….

….

Der Weg führt uns über eine staubige Schutthalde serpentinenwegs auf den Gletscher. Bald nun wird sich das neue Equipment behaupten müssen…

….

….

….

….

….

Es jeht… in 2420 m Höhe suchen wir uns seillos auf der ausgeaperten Gletscherzunge den Weg durch das Spaltenparcours, halten uns zunächst auf der Seite des Einstiegs, um schließlich die Zunge auf ca. 2.500m zu queren.

Eine leichte Kraxelei bis zur nächsten Felsberührung vorbei an blau schimmernden Eisblöcken und in schwarz gefärbten Eisrändern, dann treffen wir wieder auf den Weg, der uns bis 15.15 Uhr zur Rauhekopfhütte führt.

gepatschferner12eisblockrauhekopfhuette03

..

..

Nach einem herzlichen Empfang von den ehrenamtlichen Helfern der Sektion Frankfurt auf der Hütte, dem ersten erfrischenden Schiwasser und der erholsamen Atempause auf der Terasse mit herrlichem Bergpanorama packten wir schließlich die Theorie aus, die sich nun in der Praxis bewähren soll … aufprusiken, Seilschaft bilden, Handlings der Spaltenbergung, Knoten knoten, Orientierung mit Karte und Bussole…

..

..

..

..

..

..

Der Abend dann beschenkte uns mit einer urigen Hüttengemütlichkeit, buntem Blumenschmuck, einem geschäftlichen Weitblick und dem Abschiedsgruß der arbeitsamen Sonne… Bergzauber :)

blume02rauhekopfhuette05fluchtkogelchalet01gepatschferner13sonnenuntergang06

TAG 2

Rauhekopfhütte (2.731m) – Weißseespitze (3.518m) – Brandenburger Haus (3.277m)

Der Wecker hat aber auch kein Erbarmen, dreist klingelt er eine Stunde eher als am Vortag. Dennoch schaffen wir den Start nicht pünktlich, beim Blick auf die Uhr ist es 6.24 Uhr. Die Wetterprognosen sind sehr gut, wegen uns kann die Sonne noch ein wenig schlummern, um die Erschwernis des Gehens auf dem aufgeweichten Gletscher hinauszuzögern. Doch schon nach dem Aufstieg über Fels und Altschneefelder ließ sie in der Ferne schneebedeckte Bergzipfel im hellen Glanz erstrahlen. Pünktlich zum Einstieg auf den Gletscher um 7.30 Uhr dann standen wir im Rampenlicht.

Wir orientierten uns an Vorgängerspuren und bahnten uns zunächst leicht den Weg in Richtung Gipfel. Ein letzter Blick auf den Stausee und dann holte uns die Befürchtung des erschwerten Gehens ein, wir landeten im sogenannten Gletschersumpf. Knietief und weiter sank jeder Schritt in die Schneemasse ein. Das akrobatische Rumgeeiere kostete Zeit und Kraft!

Wir hielten weiter auf den sogenannten Zahn zu und plötzlich eine weitere Herausforderung 200 Hm unter dem Gipfel  – Christian gibt an, keine Kräfte mehr zu haben, um den Gipfel erreichen zu können. Aus den verschiedenen Möglichkeiten wählten wir die des sehr langsamen Weiteraufstiegs mit häufigen Pausen und setzten uns für das Gipfelziel eine zeitliche Frist. Ein letztes steiles Stück meistern wir gemeinsam, die Ungewissheit treibt, was uns wohl beim Erreichen des Grates erwarten wird! Das Gipfelkreuz zumindest noch nicht. Auch hat das rundgelutschte Gipfelplateau wenig mit einem klassischen Berg gemeinsam. Lediglich das dann doch in Sichtweite erscheinende Gipfelkreuz zeugt davon, dass wir endlich oben angekommen sind. Es ist 11.15 Uhr…

Nach einem Hammerpanorama, einem kleinen Zwischensnack, dem Auffüllen der körperlichen Wasserreserven und dem obligatorischen Gruppengipfelfoto machten wir uns angesichts der aufziehenden Wolken und der verlorenen Zeit bald an den Abstieg zunächst südöstlich zum Brandenburger Haus. Vier Männiken in einem Weiß von Nichts, schier unendlich weiße Weite umzäunt von Berggiganten. Wir bewegen uns wieder an einem Flecken Erde, wo man die Stille hören kann! Lediglich verirrte Insektengetiere durchbrechen mit ihrem Summen die Absolutheit der Stille und bei ihrem Bad auf dem Gletscher das weiße Nichts. Die schweren Beine finden in der Bergfaszination ihre Entschädigung und tragen die Last seelenruhig. In der Ferne ist im Fels getarnt das Brandenburger Haus zu erahnen. Bald ist es Gewißheit, dass es das Quartier ist, welches uns die kommende Nacht beherbergt. Geradewegs blicken wir bereits auch auf den Gipfel, der uns morgen in Empfang nehmen soll – auf den Fluchtkogel. Erschöpft und doch zufrieden verbringen wir Sonnenstunden auf der Terasse und lassen uns erneut von dem Reichtum der Natur beschenken..

Guckt selbst:

abstiegbrandenburgerhaus01abstiegbrandenburgerhaus05brandenburgerhaus01brandenburgerhaus05brandenburgerhaus07_brandenburgerhaus15abendstimmung_brandenburgerhaus02abendstimmung_brandenburgerhaus01abendstimmung_brandenburgerhaus03wolken01wolken03

……

TAG 3

Brandenburger Haus (3.277m) – Fluchtkogel (3.500m) – Rauhekopfhütte (über Brandenburger Haus)

Wegen des ungewissen körperlichen Zustands von Christian entschieden wir noch am Vorabend, unsere Planung umzudisponieren. Den Fluchtkogel wollen wir mitnehmen, doch vom Gipfel wieder zum Brandenburger Haus absteigen und uns von dort heute bereits den Weg zur Rauhekopfhütte zurück bahnen.

Die Geschichte mit dem Wecker hört nicht auf, ebenso nicht die des zu späten Starts. Das Erstere wird wohl so bleiben, das Zweite bedarf dringend einer Kur!

brandenburgerhaus22brandenburgerhaus23Nach dem Morgengruß der Sonne beginnen wir 6.45 Uhr den Abstieg zum Gletscher, 7.30 Uhr sind wir angeseilt abmarschbereit für den Fluchtkogel.

Den nächsten Stern für unsere deutsche Elf packen wir schonmal vorsorglich ein. Christian bewahrt ihn solange auf, während der Rest der Bande sich auf die Suche nach dem Gipfelkreuz begibt. Als winzigen Punkt lassen wir Christian auf dem unendlichen Weiß zurück, seine Kräfte reichen nicht für den Anstieg…

Die  Orientierung ist leicht. Der bis zu 30° steile Anstieg entlockt uns den Trainingsstand, welcher sich bestens behaupten kann.

..

..

..

Nach gelungenem Kraftakt lacht auch hier uns das Gipfelkreuz entgegen. 8.40 Uhr zeigt das Zeitmessgerät beim Erreichen des Metalls an.

..

..

..

..

..

Juchhei auf 3.500m :))

..

..

..

..

,,

..

..

Nach dem Abstieg zum Winzling Christian bringt uns schließlich die Orientierung per Karte und Bussole über die weiße Fläche zunächst wieder am Brandenburger Haus vorbei, um dann rechts in Richtung Rauhekopffelsen abzubiegen. Die Bergung meines Objektivdeckels, welches sich den Gletscher als Rutschbahn auserwählt hatte, klappte perfekt. Spalten ließen sich nur vermuten, wieviele wir passiert haben, daran mochten wir nicht denken. Wieder wechselten sich sumpfige Gebiete mit normal begehbaren Stücken ab. Ein Fuß durfte wahrscheinlich Spaltenluft schnuppern, zumindest hing dieser in einem tiefen Tritt plötzlich in der Leere…

..

..

..

,,

….

..

..

….

..

..

..

..

,..

..

..

..

..

Am Großen Rauhekopf (2.990m) angekommen, entledigten wir uns des für ein Fotoshooting nun ungeeigneten Gletscherequipments, um weiter auf den Rauhekopf aufzusteigen. Während Christian den Weg zur Hütte einschlug, nahmen wir mit Hilfe der Steinmännchen den Weg nach oben in Angriff. Über loses Blockwerk gewannen wir zwar schnell an Höhe, den Zugang zum Gipfel fanden wir jedoch nicht. Unsere Unsicherheit ließ uns in diesem unwegsamen losen Fels wieder absteigen. An der Hütte erfahren wir, dass sich der normale Zustieg an der Ostflanke befindet, an welcher man bis zu einer markanten Rampe steigt, die vom Gipfel schräg nach rechts abwärts zieht. Dann der Rampe folgend wäre es zum Gipfel gegangen… Ach ja, die Steinmännchen…

..

14.00 Uhr erreichen wir die ob ihrer Urigkeit und Einfachhheit liebgewonnene Rauhekopfhütte. Die Spannung steigt…Nicht wegen der Berge oder der Tour oder des Wetters… nichts dergleichen… die Spannung steigt… Werden wir im Abseits stehen oder mittendrin im Geschehen sein können? Werden wir Empfang haben? Das Radio auf den Tisch positioniert, die Antenne behelfsmäßig verlängert… die Spannung steigt. Da klingt was nach Liveübertragung, stopp, nicht bewegen, psst! Ja ja, das ist es! Lauter! Und Tooooor! Tooor für Deutschland durch Müller in der 3. Minute. Ja, was denn, wie denn?! Willkommen beim Viertelfinalspiel Deutschland gegen Argentinien. Welch ein Auftakt. Der verspricht uns einen spannenden Fußballnachmittag in einer wundersamen Bergkulisse!

TAG 4

Rauhekopfhütte (2.731m) – Ölgrubenjoch (3.086m) – Gepatschhaus (1.928m) – München

Guten Morgen lieber Wecker, guten morgen liebe Sonne. The same procedure as every day… Die letzte Tagesetappe beginnt mit dem Abstieg zur Zunge des Gepatschferners. Diese queren wir nun in einer Höhe von 2.550m oberhalb der ersten Abbruchkante. Den Schutthang hochgehievt nehmen wir heute den Abzweig in Richtung Ölgrubenjoch. Die Welt wird bunter, die Luft wärmer. Während Christian nach den neuesten News in der Bild am Sonntag lechzt und das Auto schonmal gut durchlüftet, stehen Janina, Daniel und ich 11.00 Uhr im Ölgrubenjoch und genießen letztmalig auf dieser Tour ein gigantisches Bergpanorama mit Blick auf die Wildspitze und das Taschachhaus. Den bergromantischen Abstieg umringt von Schmetterlingen, Alpenblümchen und Gebirgsbächen genießt Daniel am intensivsten, während es uns Mädels eher dazu drängt, den dampfenden Füßen Luft zum Atmen zu gewähren und die Kehlen mit etwas frisch Spritzigem zu belohnen. Meine Gaumenfreude durfte auch nicht fehlen – Kaiserschmarrn im Gepatschhaus. ..

…Adieu geliebte Berge, Adieu Alpen! Auf ein baldiges Wiedersehen :)

gepatschferner15gepatschferner16gepatschferner17oelgrubenjoch04

Kommentieren ist nicht erlaubt.