Von Wetten dass?, dem Zeitgott und seinen Fruchtbarkeitsgoettinnen

Venezuela Part I – Ankunft in Ciudad Bolivar

“Wichtig ist, dass Du Dich entscheidest zu gehen, dann hast Du den haertesten Teil geschafft” – so begann die Lonely Planet Story, so begann unsere 7andessummit+ Tour im Fruehjahr 2009…

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WettenDass… und unser Start nun endlich nach Suedamerika begann mit der Herausforderung, soviel wie moeglich Gepaeck in ein so klein wie moeglich fahrbaren Untersatz zu bekommen. Oder anders ausgedrueckt: Wetten, dass Sie es nicht schaffen, das Holzzimmer vom Dachgeschoss in einen Renault Twingo zu verstauen? Wette verloren! Unter einem funkelnden Sternendach zu Jenensis amuesierten wir uns mit Felix (Dankeschoen! :)) ueber den Transport á la Suedamerika auf leeren Strassen und schafften es reibungslos mit der deutschen Bahn zum Flughafen von Frankfurt am Main. Zum Abschied gab es nochmal die deutsche Mentalitaet zum Besten, als sich eine 4er Gruppe im ICE ueber alles und jeden aufregte, u.a. auch jedes Mal dann, als erneut eine Ansage kam, dass dieser Zug 10 Minuten Verspaetung haette und diese sich scheinbar nicht aenderte – haetten wir doch auch nur den Zeitgott!

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Flug03Die Heimat laesst einen nicht sofort los und so gab es auf dem Flug neben “Alice im Wunderland” und “Robin Hood” und vielen internationalen Groessen in der Musikkategorie auch die Moeglichkeit, ne Platte von Feindrehstar zu hoeren, eine Combo aus Jena. Ich hoffe Volker, Du liest das! :)

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Noch etwas lernten wir von der Stewardess – wir sollten tunlichst vermeiden, eine Cola zu bestellen. Zumindest sollten wir das Wort nicht nutzen. Wir wissen nicht, was passiert, wenn wir “Eine Schwanz, bitte” bestellen, wir wollen es auch nicht ausprobieren, dieses Schimpfwort zu verwenden :)

Alles verlief fast schon etwas gelangweilt reibungslos ab. Die Zugverspaetung wurde mit ins Flugzeug genommen, so dass wir 10 Minuten spaeter als geplant in Caracas gelandet sind. Zunaechst bekamen wir einen Faustschlag ins Gesicht, die Person stellte sich mit Hitze vor, wow ist das heiss hier!! Dann bewaeltigten wir einen Serpentinenmarathonlauf zum Immigrationsschalter, unser Jenziglauf zu Hause ging irgendwie schneller von statten… Und irgendein Verhaeltnis zu den Asiaten scheinen die hier zu haben, jedenfalls wurden diese hinter dem Schalter in einer Reihe versammelt – asiatische Auslese genannt…

Wir wurden derweil auf unserem Weg zum nationalen Flughafen (der gleich am Internationalen angebunden ist) von einer Horde Maenner umzingelt. Angesichts der Warnungen vor Raub und Diebstahl waren wir vorsichtig und auch nachdruecklich, unser Gepaeck doch mal bitte in Ruhe zu lassen! Ein Englischsprechender entpuppte sich schliesslich als sehr hilfsbereit und managte unser Check In bei Rutaca Airlines und wechselte unser ersten US Dollar in Bolivares – hier in Venezuela wird nur auf dem Schwarzmarkt gewechselt angesichts des schlechten vom Staate festgelegten Wechselkurses.

Nur gut, dass das hier alles so langsam geht, so mussten wir nicht allzu lange auf unseren Weiterflug nach Ciudad Bolivar warten bzw. es haette nicht weniger Zeit sein duerfen… Und ach herrje, hier wird es bereits 18.00 Uhr dunkel!! Und wir leben 6,5 Stunden hinter Eurer Zeit. Die halbe Stunde haben wir Hugo zu verdanken, der, wie uns Rainer von der Posada spaeter erzaehlte, hier in Venezuela den Zeitgott spielte und eben mal so die Uhr eine halbe Stunde zurück drehen durfte. Und das alles nur, um die geistige Tuechtigkeit und das Schaffen seines Volkes zu foerdern, da er festgestellt hat, dass das menschliche Gehirn bei Tageslicht produktiver arbeiten kann. Andere Quellen behaupten auch, Ziel der Zeitumstellung sei gewesen, sich nicht im zeitlichen Gleichschritt mit dem Bösen aus der USA zu bewegen.

Am Flughafen von Ciudad Bolivar erwartete uns bereits Rainer von der Posada mit einem Namensschildchen hochhaltend … Die Posada La Casita liegt etwas ausserhalb der Stadt, ein Ort zum Wohlfuehlen und zum Geschichten hoeren. Von Rainer (Posada La Casita) und Jochen (Gekko Tours)erfahren wir viele amuesante, interessante und zum Nachdenken anregende Auszuege vom Leben in Venezuela. Eine gute Wahl in dieser Posada in diesem Land anzukommen!

Auszuege vom noch ungeschriebenen Buch von Rainer:

  • Venezuela besaß eine gut funktionierende Rinderzucht – die Bevölkerung hatte genug Rindfleich zu erschwinglichen Preisen. Eines Tages entschied El Präsidente, dass den Armen es vor allem an Grundnahrungsmitteln fehlte – insbesondere Mais musste teuer importiert werden. So entschied der Oberste des Staates, ab sofort auf den Rinderweiden Mais anbauen zu wollen. Er selbst gab den Befehl zum Pflügen der Weiden von einem Traktor aus – natürlich live im TV zu verfolgen. Nun wurde Mais angebaut und die Pflanzen wuchsen bis die Trockenzeit einsetze und alle Maispflanzen verdorrten. Nun gibt es in Venezuela weder Mais und Rindfleich wird aus Honduras importiert.
  • 3mal am Tag fährt an der Posada die Polizei Streife – das ist nicht selbstverständlich und kostet ca. 4,50 Euro pro Tag. Wird nicht bezahlt, kommt keine Streife und Hilfe bei den dann tätig werdenden bösen Buben ist auch nicht zu erwarten, da die Polizei dann “Angst” hat. Wenn der Stadtteil-Polizeichef nur 200 Euro (nach Schwarzmarktkurs) verdient, ist es nur logisch, dass bei jeder Gelegenheit die Hand aufgehalten wird. Korruption wird hier in Venezuela wohl auch ganz groß geschrieben und wenn man den Geschichten von Rainer Glauben schenken darf, wird einen Angst und Bange und lässt einen nur hoffen, von Polizei, Militär und sonstigen Uniformierten in Ruhe gelassen zu werden.
  • El Präsidente Hugo Chavez hält eine wöchentliche Fernsehshow im Staatsfernsehen mit dem Namen „Alo Presidente” ab. Hier wird das Volk über die neuesten revolutionären Entscheidungen vom Präsident persönlich informiert. Neben den Befehl an das Heer sofort 10 Battalione an die Grenze zu Kolumbien zu entsenden oder auch Bestätigungen über Waffengeschäfte zwischen Russland und Venezuela werden anlässlich des Schulanfangs Schulbücher vom Präsidenten vorgestellt und die Funktion des Zirkels erklärt. Mann möge sich doch Angi vorstellen, wie sie unseren ABC-Schützen den Schuleinstieg beschreibt:)
  • Venezuela ist für Autofahrer ein Paradies. Hier kann sich jeder die PS-Maschine zulegen, die er schon immer haben wollte. Ein Verbrauch von 20 Liter ist bei einem Benzinpreis von umgerechnet 0,08 Euro pro Liter doch nicht so viel oder? Der Benzinpreis ist natürlich vom Staat subventioniert und bei dem Versuch, den Preis Ende der 90er anzuheben, kam es zu einem kleinen Volksaufstand. Darauf hin blieb der Preis wie er bis heute ist.

Und da Rainer so gerne schimpft und sarkastisch betrachtet, koennte man Tag und Nacht seinen Geschichten inklusive Mimik und Gestik zu Gemuete fuehren… wir sollten ihn bevor wir abfahren noch empfehlen, doch ein Buch herauszugeben :) Und uebrigens, Rainer lebt gerne in Venezuela, man mag es manchmal kaum glauben…

ModelVielleicht ist er ja auf der Suche nach den Schoenheitskoeniginnen, weil die haben wir hier noch nicht wirklich entdeckt. Venezuela wird ja angepriesen, die meisten Miss Worlds und Universe und weiß der Geier hervorgebracht zu haben. Stattdessen sehen wir lauter Fruchtbarkeitsgoettinnen durch die Stadt flanieren mit der Mode der Schoenheitskoeniginnen… nu ja, die scheinen derweil auf einem entfernten Dornroeschenschloss ein gesundes Dasein zu fristen und von den kapitalistischen Versuchungen geschuetzt zu werden oder sie werden auf Bierdosen gebannt. Immerhin sieht es der Einzelhandel ganz realistisch, und praesentiert die neueste Mode auch an XXL Schaufensterpuppen :))

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Am 26. September waren Parlamentswahlen – Hugo hat ein paar Sitze an die Opposition abgeben muessen, er hat keine 2/3 Mehrheit mehr… mal sehen, was die Zukunft fuer Venezuela intern und in der Welt bringt. Zumindest scheint der Präsident mit seinem politischen Engagement sein eigenes Land zu spalten…

In Ciudad Bolivar selbst gibt es nicht viel zu entdecken. Rainers Spruch “Wer eine halbe Stunde durch die Altstadt braucht, hat sich um eine Viertelstunde verlaufen” … So bestaunen wir nur den ueberdimensionierten Rio Orinoco und fluechten vor der sengenden Hitze und den stechenden Kleinviechs in die Posada zum pißwarmen Pool.

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Auch die Hunde wissen nichts anderes mit sich anzufangen, als bei dieser Hitze am Pool zu relaxen:)

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Fanta und Sprite auf Venezolanisch: FantaSprite

Ciudad Bolivar wird als Sprungbrett in den Canaima Nationalpark und die Gran Sabana genutzt. So taten wir dem gleich, richteten in der Posada unser Basislager ein und starteten von hier ins Naturabenteuer…

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